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Der weite Weg zu Gold

Ein Reise- und Turnierbericht zur EM in Chiavari

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Zusammen mit dem Fechtfreund Hans Visser aus Emden und unserem Dieter Hecke trat ich am 24.Mai die lange Fahrt mit dem Auto nach Chiavari an, um dort an der Ligurischen Küste die Fecht-Europameisterschaften der Senioren zu besuchen, Dieter mit dem festen Vorsatz  nach vier Vize-Europameistern nun endlich einmal den begehrten Titel zu erringen, ich mit dem Vorsatz, nicht Letzter zu werden, und Hans, bereits Europameister von 2005, einfach „nur“ aufs Treppchen zu kommen. Zunächst über Weil am Rhein, wo wir uns am Dreiländerdreieck im Hotel Maximilian einquartierten. Dieter war gespannt, die Holzbrücke über den Rhein wiederzufinden, die er vor 40 Jahren schon einmal Richtung Frankreich überschritten hatte. Doch nichts davon, stattdessen fanden wir die längste Fußgänger- und Fahrradbrücke der Welt (wirklich?) über den Rhein vor, die Deutschland und Frankreich hier verbindet, allerdings aus Metall! Dieter wollte es nicht glauben und ging noch auf einen nächtlichen Spaziergang, in der Hoffnung doch noch seine Holzbrücke zu finden.

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Die zweite Etappe am nächsten Tag durch die Schweiz bei herrlichem Wetter versetzte uns in Urlaubsstimmung bis wir vor den Gotthardtunnel kamen: Über 1 Stunde Wartezeit! Das kommt, wenn man einen Feiertag (Christi Himmelfahrt) als Reisetag nimmt. Hans wurde sichtlich nervös, denn auch nach dem Tunnel nur Stau und das Navi berechnete eine Ankunftszeit in Chiavari um ca. 17:00 Uhr und Hans musste doch seine Materialprüfung noch am gleichen Tag bis 19:00 Uhr durchführen lassen, denn sein Start im Florett sollte am nächsten Morgen sein. Erfahrungsgemäß dauerte sowas auf einer EM nach den ausführlichen Berichten unserer zwei EM-Routeniers immer recht lange. Es hieß also für mich Gas geben, auf Blitzer zu achten, nur kurze P.-Pausen zu machen und die Zeit im Auge zu behalten. Die kurvenreiche Fahrt durch das Ligurische Gebirge erinnerte dann mehr an ein Autorennen als an eine Urlaubsfahrt, die meine beiden Mitfahrer aber nicht als unangenehm empfanden, selbst wenn Hans auf der hinteren Sitzbank schon ziemlich hin und her geschaukelt wurde.

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In Chiavari angekommen, eigentlich „in time“, brauchte es doch einige Zeit zum Austragungsort zu finden, denn die offizielle website der EM  http://www.europeanfencingmaster.eu  die wir auf dem Handy öffneten, war zwar sehr schön bunt und gab viele Informationen über den Ort , die herrliche Küste und das Rahmenprogramm, ließ aber offen, wo das große Event stattfinden sollte. Nach längerem Suchen fanden Dieter und Hans im Rathaus eine nette Dame, die zwar nicht des Englischen, Deutschen oder Friesischen mächtig war, aber klar machen konnte, dass die Besucher und Fechter sich zur Eröffnungsveranstaltung im Palazzetto dello Sport Massimo Carrino  um 18:00 Uhr einfinden sollten. Gesagt, getan, wir fanden den Ort und auch die Materialprüfung in einem großen Zelt, vollgespickt mit Fechtausrüstern aus allen europäischen Ländern. Die von uns befürchtete aufwendige und zeitraubende Materialprüfung stellte sich dann aber tatsächlich als eine oberflächliche Begutachtung von Fechtjacke, Hose, Handschuh, Kabel und Waffen dar, vorgenommen von jungen (hoffentlich) Fechtern innerhalb weniger Minuten. Für Hans unfassbar, hatte er doch einen blauen Sack dabei, in den er eigentlich seine Fechtutensilien stecken wollte, um sie komplett am nächsten Morgen (nach der nächtlichen Ptüfung) vor seinem Start in Florett wieder in Empfang zu nehmen. Alles nicht nötig, hier ging es nicht deutsch zu, sondern völlig locker italienisch!

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Die anschließende Eröffnungsfeier war eine bunte Show mit Theaterfechtern, Tanzgruppen, Fahnenschwenkern und Artisten, toll choreographiert und sehr beeindruckend präsentiertt. Dann erst suchten wir unser Quartier auf, eine hübsche Wohnung nicht weit von der Wettkampfstätte in einem Zwanziger-Jahre-Haus mit sehenswertem denkmalgeschütztem Fahrstuhl, der es aber immerhin schaffte, unsere drei Fechtcontainer mit einer mutigen Person (Hans) in den ersten Stock zu befördern.

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Freitag war der Start für Hans im Florett angesagt, der sich bereits um 07:00 Uhr mental und frühsportmäßig darauf vorbereitete. Sein Frühstück war wie immer ausgewogen und seine Kost bereits in Emden vorbereitet und von dort mitgebracht. Unser Glück, denn der Kühlschrank war leer und am Abend zuvor von uns nicht aufgefüllt worden, sodass Hans´ Einladung zu seiner Vollwertkost uns sehr gelegen kam.

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Während Hans sich auf der Fechtbahn im warmen Großzelt bei mehr als 27 Grad abmühte, fuhren Dieter und ich zur Cinque Terre, dem weltberühmten ligurischen Küstenabschnitt mit seinen fünf malerischen Dörfern, die zum UNESCO Weltkulturerbe zählen. In Monterosso stiegen wir bei herrlichstem Wetter auf das Ausflugsschiff und ließen uns an der Küste entlangschippern, stiegen dann in Vernazza aus, um den am Steilhang gelegenen pittoresken Ort zu erkunden, erreichten dann nach vielen steilen Stufen ein nettes Lokal, wo wir uns niederließen und mit tollem Panoramablick über den Ort und die Küste köstliche Spaghetti bestellten zusammen mit einem kühlen Birra.

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Zurück an Bord der "VEGA"  ging es weiter an der Küste bis zum Örtchen Manarola, noch ein wenig steiler gelegen und noch mehr Treppen waren zu steigen, sodass Dieter langsam streikte, denn er befürchtete am nächsten Tag nicht mehr auf den Beinen zu stehen können und so landeten wir bald beim zweiten Bier vor einer Bar, die schattig gelegen zwar keinen Blick auf die Küste aber immerhin auf die sich hochschlängelnde Hauptstraße mit den farbenfrohen Häusern und den drängelnden Touristen von Manarola bot.

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Gedränge auch bei der Anlegestelle zur Rückfahrt mit dem letzten Schiff Richtung Monterosso, was uns dann nicht mehr an Bord wegen Überfüllung ließ, wurden aber nach einer halben Stunde mit einem Ersatzschiff für die mindestens noch 200 Wartenden abgeholt. So hatten wir die Chance rechtzeitig zur Siegerehrung in Chiavari zu sein, doch nicht ganz aufgegeben. Wir hatten nämlich irgendwie im Gefühl, dass Hans vielleicht aufs Podest im Florett käme, obwohl wir ihn schändlich ganz ohne unsere Betreuung zurückgelassen hatten.

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Die kurvenreiche Strecke brausten wir daher so schnell es diese schmalen Straßen zuließen zurück nach Chiavari zum Palazzetto dello Sport Massimo Carrino  und erreichten tatsächlich rechtzeitig die Siegerehrung, wo Hans in der Tat zum Empfang seiner Bronzemedaille aufs Podest stieg und so seiner Sammlung von insgesamt sieben EM-Medaillen aus den letzten Jahren (1x Gold, 2x Silber, 4x Bronze) eine weitere hinzufügen konnte! Zur Feier des Tages ging es dann zu „Da Felice“, einer Trattoria direkt an der Seepromenade.

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Dann am nächsten Tag früh aufstehen, gesundes Frühstück , Obst und italienische Salami (hatte Hans aus Emden mitgebracht!) und Abfahrt zur Halle bzw. Fechtzelt. An der Autoscheibe klebte ein Zettel vom Nachbarn „Don´t stay here ! Private!“ . Wie reizend, immerhin hatte man das Auto nicht abschleppen lassen. Eben nett die Italiener, aber wo am Abend parken?

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Die Wettervorhersage versprach einen heißen Tag von 28 Grad und Dieter und ich hofften, dass wir „Alten“ unsere Gefechte in der einigermaßen kühlen Halle haben würden, etwa aus gesundheitlichen Gründen. Doch weit gefehlt, da focht AK2 und AK3 und wir mussten in das knuffig warme Zelt! Hans, unser Begleiter und Coach für den ganzen Tag (nochmals Danke, Hans!) tröstete uns, schließlich hätte er es am Tag zuvor auch überlebt, „trinkt viel und teilt eure Kräfte ein. Verausgabt euch nicht, im K.o. muss man nicht mit zehn Treffern gewinnen, geht auch mit Fünf und ganz gemütlich, Hauptsache ihr liegt vorne!“ Hans war ein super Coach bei uns beiden und er war immer zur Stelle, wenn wir auf der Bahn waren. Zum Glück gab es bei dieser EM erstmals eine Altersklasse für die „Old Grand Seniors“ nämlich AK75+ neben 70-74, den „Grand Seniors“ sodass Dieter und meine Wenigkeit sich nicht in die Quere kommen konnten. Dieter, wie immer souverän, gewann von Runde zu Runde und stand am Abend im Finale auf der Hochbahn im Palazzetto dello Sport Massimo Carrino  bei milden 25 Grad! Für mich war es unter den letzten Acht zu Ende, dabei nur knapp mit 10:09  ausgeschieden.Ein Treffer fehlte zu einer Medaille, dennoch froh überhaupt, so weit gekommen zu sein! Wollte ja, wie gesagt, nicht Letzter werden.

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Dieters Finale vor etlichen hundert Zuschauern war spannend bis zuletzt. In einem packenden Gefecht gegen den Briten William Osbaldeston gewann Dieter das Degen-Finale mit 7:4 , gecoacht von Hans, der ihm (natürlich unauffällig) nützliche Tips gab, schließlich kannte er den Briten aus früheren Tagen gut. Nach vier Vizemeisterschaften in den Vorjahren gelang ihm nun ein weiterer Höhepunkt seiner langjährigen Fechtkarriere! Bravo Dieter! und einen dicken Pokal gab´s sogar noch zur Goldmedaille für den ältesten Teilnehmer dazu! Natürlich Feier am Abend zusammen mit Dieter Allkämper, der mit Bronze belohnt war, diesmal in der Trattoria „La Promenade“, wo wir vier recht lange bei Prosecco, Langusten und Pasta den Tag ausklingen ließen.

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Am nächsten Morgen auf der Rückfahrt gut gelaunt nach einem Zwischenstopp im wunderschönen Santa Maria Ligure auf die Autostrada Richtung Genua, da eine Warnung meines Bordcomputers mit großem Ausrufezeichen: Druckverlust im Reifen hinten rechts! Vorsichtig mit maximal 80 km/h weiterfahren! Das konnte doch nicht wahr sein, ziemlich sicher eine Fehlmeldung! Nach Inspektion durch meine beiden Beifahrer: „ Der ist tatsächlich ein bisschen platt, da muss Luft drauf!" Wir gingen auf die Suche nach einer Tanke zum Luftauffüllen, doch in Italien ist sonntags alles zu, wie uns ein Polizist in gebrochenem Englisch zu erklären versuchte. Nur auf Autobahnraststätten hätten wir eine Chance. Also auf in Richtung Mailand mit Tempo 80: bei der ersten Tankraststätte gab es Luft, aber die war direkt wieder raus, aus einem Loch, das spürbar groß war. Also Radwechsel! Sämtliches Gepäck ausgeladen, unter dem sich das Ersatzrad befinden sollte. Doch weit gefehlt, kein Rad, kein Wagenheber, kein Werkzeug, Nichts!! Neuer Wagen, wie man mir später erzählte, hat kein Ersatzrad, Wagenheber etc., denn man muss Gewicht sparen (wegen der Co2-Werte!). Da half nun auch kein Reifendichtmittel, was man uns ins Ventil blies. 50 Kilometer weiter die nächste Raststätte und nur noch ein Wunder  konnte uns davon retten, ein Nachtquartier in den Ligurischen Bergen suchen zu müssen, um am nächsten Tag den Reifen flicken zu lassen oder neu zu kaufen ( denn wahrscheinlich wird auch heutzutage nicht mehr geflickt!). Und das Wunder trat tatsächlich ein: der nette Tankwart dort versprach uns den Reifen innerhalb von 10 Minuten für 40 € zu reparieren und wir würden problemlos mit Höchstgeschwindigkeit zurück nach Köln kommen. Und so machte er es: Bohrte das Loch noch größer, verklebte geschickt darin einen Gummipfropfen und der Reifen war dicht!

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Zurück ging es dann bestens gelaunt über den Gotthard-Pass (im Tunnel staute es sich wieder mal stundenlang) Richtung Heimat mit Zwischenstopp in Weil am Rhein, wo sich Dieter nicht noch einmal auf die Suche nach seiner Holzbrücke über den Rhein machte, sondern wir zusammen bei einem guten Essen die Reise Revue passieren ließen und uns für die 15. Europameisterschaften in zwei Jahren in Cognac/Frankreich fest verabredeten.

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 Bericht und Fotos: Jürgen Scholz